Shakespeare: Macbeth; Monbijoutheater Berlin
Vermutlich gesteht kein Kritiker gern, dass er nicht weiß, wer welche Rolle gespielt hat an diesem beinahe wieder verregneten Abend. Vermutlich gesteht kein Kritiker noch weniger gern, dass er in seiner milden Verzweiflung mehrere Mails in alle Richtungen sandte, um die Abendbesetzung herauszubekommen, sogar diverse Agentur-Seiten im Netz konsultierte, nicht zu reden von der Homepage des Hauses, die leider kein Ensemble vorstellt mit Bild und Vita. Nicht alle Schauspieler scheinen auf höchste Aktualität ihrer Netz-Präsentationen aus zu sein, falls sie nicht gar mit dem Monbijoutheater Berlin in gar keine Verbindung zu bringen sind. Kollegenkritiken lesen Kritiker nur heimlich, die Sommertheater aber bekommen kaum Kollegenkritiken. Ergebnis alles in allem: ich habe zwei leidlich abgesicherte Vermutungen bezüglich der Hauptrollen, der Rest muss im Dunkeln bleiben. Übrigens nennen auch alle Webseiten, die diesen „Macbeth“ ankündigen, immer brav die jeweils beiden Namen, was zu einer Trefferquote von fünfzig Prozent führt. Immerhin gibt es für den Stab keine Doppel- oder Sicherheitsbesetzung, wir können also den Regisseur reinen Gewissens benennen: Darijan Mihailovic. Für Kostüme und Masken, weil sie dem Sommertheater wichtiger sind als dem Wintertheater: Isa Mehnert und Rivka Dette, Bühnenbild: David Regehr.
Ganz wichtig ist der Übersetzer, ausnahmsweise einmal keiner aus dem Stab, der zeigen wollte, dass auch er Shakespeare übersetzen kann, sondern ein gewisser Friedrich Schiller. Der, wir wissen es längst, vor allem aus Kontaktpflege-Gründen einem gewissen Johann Wolfgang von Goethe auch dann einen Gefallen tat, ohne seinen Widerwillen auffällig zu artikulieren, wenn er weder genug Zeit hatte noch genug Gesundheit, um einen unbezahlten Nebenjob für einen Theater-Intendanten einfach so einschieben zu können. Aber weil Schiller eben Schiller war, kam dabei eine handliche Übersetzung heraus, die ihre ganz eigene Sprache hat. Im Monbijoutheater dauert am Ende alles anderthalb Stunden. Neben mir erörterten in der obersten und damit trockensten Reihe, die wegen der Rückwand auch rückenschonende Nebenwirkungen besitzt, drei Besucher die Frage, wie man wohl ein gar nicht lustiges Stück in den Sommer transportieren kann, der doch eigentlich leicht und locker sein soll. Am Ende waren sie offenbar hinreichend angetan, denn sie klatschten heftig und trampelten, als alle trampelten. Im Theaterrund bedeuteten diesmal die Bretter nicht die Welt, dafür das Feste unter den Füßen des Publikums, die Akteure spielten innerhalb und außerhalb einer mit Sand gefüllten Manege und hantierten mit Eimern, einer Zinkwanne sowie ihren Kostümen.
Vom Stück weiß man, dass da einer einen Schlachtensieg einfuhr, Seit' an Seit' mit jenem Banquo, dessen er sich später entledigen muss und dass beiden von drei Hexen, deren Chefin gemeinhin gestrichen wird in allen Häusern, die auf sich halten, seltsame Voraussagen zu Ohren gebracht werden, die sich zum Teil sehr rasch als wundersam zutreffend erweisen und deshalb mörderische Verführungskraft gewinnen. Der König, für den sie den Sieg errangen, sie hatten laut Brecht auf alle Fälle mindestens einen Koch bei sich, ist im Monbijou ein wankender und kotzender Suffkopp, der außerdem noch zum Einschlafen im Stehen neigt. Freunde des Kinderfernsehens kennen solches Verhalten von Professor Hastig, den Kermit der Frosch immer erst wecken muss, damit der Gute seinen fundamentalen Vortrag fortsetzen kann. Darijan Mihailovic setzt zweifellos auf portionierte Situationskomik, was bei Shakespeare immer legitim ist, selbst wenn die Tragödien noch so tragisch sind, im Grundkurs Shakespeare heißen die entsprechenden Passagen die Rüpel-Szenen. „Wie Zirkusnummern reihen sich die Kampfszenen, Morde, Hexenerscheinungen, Prophezeiungen, die intimen Worte des Paares Macbeth und die Klagen der Thans in der Mitte unseres Amphitheaters aneinander.“ Soweit die Hausmitteilung aus der Dramaturgie. Die Nummern sind nicht nummeriert.     www.monbijou-theater.de

Die vollständige Kritik ist seit 15. März 2018 nur noch in Buchform zu lesen: Eckhard Ullrich: Wie es mir gefällt. 33 Shakespeare-Kritiken
dictum verlag Ilmenau, ISBN 978-3-95618-138-2, Preis 19,50 Euro.

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Macbeth, Monbijoutheater

Zur Kritik von




Macbeth, Monbijoutheater


Machtspiele im Sandkasten

Zwei Gestalten, die mehr an Aliens als an Menschen erinnern, mit schwarz-weiß geschminkten Gesichtern und silbernen Reptilien-Kappen, fallen auf die Bühne. Sie scheinen aus einer anderen Universum zu kommen. Sie fallen in die Sandkiste, die mitten in die Arena des Hexenkessels steht. Sie treffen auf mehrere Zauberfrauen, die ihnen die Zukunft vorhersagen. Diese Weissagung wird ihnen zum Verhängnis werden. Macbeth soll Karriere machen, denn er hat für sein Volk einen großen militärischen Erfolg errungen. Sein Gefährte Bankow wird ihm dabei im Weg stehen. 
Der alte König Duncan scheint nicht ganz auf der Höhe der Zeit zu sein. Er schläft im Stehen ein. Wenn er seine Untergebenen nicht hätte, würde er stets und ständig in den Sand fallen. Sie dirigieren in durch sein Leben. Da ist die Ehefrau von Macbeth ein anderes Kaliber. Sie weiß genau, was sie will. Als sie hört, dass ihr Mann ein steiler Aufstieg bevorsteht, will sie sofort nachhelfen. Wenn du ein Mann bist, räumst du den König aus dem Weg, dann ist er für dich zum Thron frei. So treibt sie ihren Mann an. Doch das macht nicht nur seine Frau, auch die Stimmen in seinem Kopf, die ihn seit der Weissagung der Hexen verfolgen, lassen ihn nicht mehr in Ruhe. Die Verlockung der Macht hat ihn erwischt. So greift er zum Dolch, hier im Monbijoutheater unter der Regie von , sinnigerweise zur Krone, die er ins Herz des schlafendes Königs sticht. 
Das Blut wird hier gleich zinkeimerweise ausgeschüttet werden. Wannen mit Wasser stehen dann zum Spülen bereit. Macbeth wird von seiner Frau in Gänze in so eine Zinkwanne gesteckt und mit dem Schwamm rein gewaschen. 
Doch Macbeth hat Blut geleckt. Der erste Mord wird den nächsten nach sich ziehen. Macbeth wird irre an sich selbst. Er mordet schon lange nicht mehr, um seine Krone zu sichern sondern weil sein erster Mord das Hineinrasen in eine Einbahnstraße war, der das Zurücksetzen ausschloss. Er rast in Höchstgeschwindigkeit auf die Wand am Ende zu. Endgültig merkt er das, als er von dem Selbstmord seiner Frau erfährt. Da steht er auf einer Pyramide von Zinkeimern, die er auf die Zinkwanne gestapelt hat. Er stürzt bei der Nachricht in den Sand. 
Das tolle Ensemble führt einen Machttanz der Zombies auf. Der Shakespearetext wird unter der Regie von Darijan Mihajlovic in ständige Bewegungen übersetzt. Das gelingt hervorragend. Mit den einfachen Mitteln, Sand, Wasser und Farbeimern wird die Tragödie erzählt. Aus den Schauspielern ragt der Hauptdarsteller Jonas Kling heraus, der mit sicherer Eleganz und Energie durch den Abend tänzelt, rast und wütet. Hervorragend!
Birgit Schmalmack vom 22.8.17

Blutrausch und Machtgier: „Macbeth“ im Monbijou Theater ist großartiges Schauspiel

Spielzeit noch bis 3. September 2017 / Wir verlosen Freikarten

Als Shakespeare das Stück 1606 schrieb, war die Geschichte viele Hundert Jahre alt. Nun dringt sie aus lang vergangener Zeit zu uns und will erzählt sein.
Nur eine viel höhere Intelligenz konnte Gefallen an einer so niederträchtigen Geschichte finden: Den bösen Spaß, den sich die drei Hexen mit Macbeth und seiner Welt erlauben.
Shakespeare hatte sie und lässt uns daran teilhaben. Es sind aber nicht die Hexen, diese Wesen des dritten Geschlechts, und auch nicht das unausweichliche Schicksal – es ist die eigene fatale Entscheidung, etwas Falsches zu tun, die „Macbeth“ den Ruf der ängstigendsten Tragödie verschaffte. Und dennoch verlieben wir uns beim ersten Auftritt in den starken, kampfbereiten Macbeth. Und staunend bewundern wir Lady Macbeths zwingende Worte.

Goethe hält es für Shakespeares Meisterwerk
Das Ensemble des Monbijou Theaters spielt die Tragödie in der Übersetzung Schillers. Goethe und er wollten das Stück 1800 in Weimar auf die Bühne bringen. Doch niemand am Hofe sprach Englisch.
Da Goethe das Stück für Shakespeares Meisterwerk hielt, musste eine Lösung her… Fünf Wochen später lag Schillers Übersetzung überraschend auf Goethes Schreibtisch. Und der war begeistert – und stürzte sich in die Proben. Ergebnis: Eine rasantere und gewalttätigere Geschichte hatte es nie zuvor auf deutschen Bühnen gegeben. Die Zensur wirft Schillers eigenen Stücken fortan nicht mehr vor, Gewalt zu verherrlichen…

„Macbeth“ lehrt und das Fürchten
Wie Zirkusnummern reihen sich die Kampfszenen, Morde, Hexenerscheinungen, Prophezeiungen, die intimen Worte des Paares Macbeth und die Klagen der Thans in der Mitte des Amphitheaters aneinander. Näher kann Theater nicht sein. Die Handlung schreitet gradlinig und schnörkellos voran und drängt alles andere in den Hintergrund.
Umwerfend und ausdrücklich bemerkenswert: die Kostüme, erdacht von Isa Mehnert.
Regie: Darijan Mihailovic. Dramaturgie: Maurici Farré.
Monbijou Theater – Spielzeit Sommer 2017: noch bis 3. September, täglich zwei Vorstellungen (19 und 21 Uhr).
1 von 2 Personen fanden die Kritik hilfreichgelungenMonbijou- Sommertheater in Berlin (Macbeth)
Anja Röhl  · 18.07.17
Die Kostüme, die ein wenig geflickschustert, provisorisch und zusammengesucht wirken, passen gut zum Stück, in dem ja eine Atmosphäre des Zerfalls herrscht.  Die dort gerade einen Krieg überstanden haben, wundern sich selbst, dass sie noch am Leben sind.  Drei mit Blut befleckte Wesen steigen aus dem Sand und geben die Hexen, tanzen Totentänze und stacheln die Gier ihrer Feldherren an, indem sie ihnen etwas vom Königsruhm und –ehre weissagen.  Das können auch Fieberträume gewesen sein.
Von seiner Frau zum Mord angestachelt
Aber Macbeth, der kurz darauf den greisen König bei sich beherbergen muss, wird von seiner Frau zu einem Mord an ihm angestachelt, um damit der Weissagung schon mal etwas entgegenzukommen. Aus diesem ersten Mord entwickelt sich eine spiralförmig in den Abgrund führende Katastrophe, da Macbeth aus wachsender Angst vor Entdeckung und Gier immer neue Schandtaten begeht. Ein Mord zieht also den anderen nach sich und das Stück schildert im Weiteren die sich zu Wahnvorstellungen auftürmenden Gewissensbisse, die schließlich Lady Macbeth in den Selbstmord und ihn und sein Land in den Untergang führen.
Opfer, Feinde, Soldaten
Was ist das Besondere dieser Aufführung? Die Ununterscheidbarkeit seiner Spieler.  Bis auf Macbeth und seine Lady und das mit einer weißen Maske bestückte Kind des Macduff, sind die anderen Spieler in Kostümierung,  Verhalten und Maske (schwarz-kreidig beschmiert) sehr uniform angelegt und man hat einige  Mühe, die Opfer, Feinde, Soldaten Macbeth´s zu unterscheiden. Sie sind alle in der Kostümierung auf Krieg hin ausgestaltet.
Krieg gebiert Ungeheuer
Dadurch scheinen sie uns aus dem Krieg gleichsam als Opfer und Täter, als Überlebende und Träger neuer Kriege, immer wieder neu entgegenzutreten. Sie haben Reste eiserner Schilde, Reste klingender Waffen, und da, wo man Stofffetzen sieht, sind sie mit unregelmäßigen Flecken von Dreck und altem Blut bedeckt, all die Mordlust und die Gier sind diesem kriegerischen Boden entwachsen.  Während der ganzen Aufführung wird im Grunde nie das Schlachtfeld verlassen. Die Botschaft: Krieg gebiert Ungeheuer. Weiterlesen
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0 von 0 Personen fanden die Kritik hilfreichgelungenAlles im Eimer
KULTURA-EXTRA  · 03.08.17
''Nach Schenkelklopfen ist nun also Hauen und Stechen im Monbijou Theater angesagt. Das nötige Theaterblut dafür schleppt man gleich in mehreren Zinkeimern und -wannen auf die Bühne. Das Geschehen um den schottischen Edelmann Macbeth, der, angestachelt von seiner Frau und den Weissagungen dreier Hexen, er würde es zum Thane von Cawdor und schließlich gar zum König von Schottland bringen, den alten Monarchen Duncan ermordet und nachfolgend noch viele weitere Widersacher ins Jenseits befördert, spielt sich hier in einer kleinen Sandkastenarena zu Füßen der Zuschauertribüne ab. Während hier noch die drei Hexen ihre verwunschenen Beschwörungsformeln im Original singen, rollen nach gewonnener Schlacht Macbeth und Kumpan Banco von oben herab.'' schreibt Stefan Bock am 2. August 2017 auf KULTURA-EXTRA
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